Zwei Wochen lang war Siard Schulz Schulpraktikant bei h2l Kommunikation. Er hat in dieser Zeit eine Menge über den Alltag in einer Werbeagentur gelernt – aber wir lernten auch von ihm. Ergebnis: In einer freiwilligen Zusatzwoche erhielt der Social-Media-erfahrene 15-jährige Gymnasiast den Auftrag, uns über Trends und neue Entwicklungen unter den Jugendlichen bei Facebook & Co. aufzuklären. Wie bewegen sich Jugendliche im Netz, und was unterscheidet sie von älteren Usern? Darüber hat er einen aufschlussreichen Artikel geschrieben, den wir hier vorstellen.
“Derpina” kriegt sie alle
Manche fragen sich, welchem Trend die Jugendlichen heutzutage nachgehen und vergleichen es mit früher. Fakt ist, dass sich die Vergangenheit von der Gegenwart sehr unterscheidet, weil sich einfach zu viel verändert hat – und das ist auch gut so. Diese Veränderung wird vor allem in den sozialen Medien deutlich.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Generationen liegt darin, dass die Erwachsenen und die Jugendlichen komplett andere Schreibstile haben. Auch die sogenannten „Posts“ (Einträge in den Sozialen Medien) unterscheiden sich extrem. Es reicht nämlich nicht, bei Facebook angemeldet zu sein, um dann auch gleich im Trend zu sein; es gibt verschiedene Normen, und jeder, der im Trend sein will, verfolgt sie.
In den sozialen Medien gibt es beispielsweise seit einigen Jahren so genannten „Trollfaces“. Das sind meistens schwarz-weiße Comics, die manchmal mit normalen Fotos kombiniert werden. Sie spiegeln bestimmte Situationen im Alttag wieder.
Die ersten Trollfaces entstanden am 19. September 2008 von dem DevientArt User Whynne. DevientArt ist eine Website, wo User ihre Fotografien und gemalten Werke ausstellen können. Die Trollfaces sind zum Trend geworden. Hier einige Beispiele aus dem Internet:
1. Beispiele für “Rage Comics”
2. “Hast du geduscht?” fragt Mama …
3. “Cynthia – geht es dir gut?”
Aber wer braucht eigentlich diese komischen Gesichter und ist das nun die Weiterentwicklung der Mickey-Maus-Hefte?
Nein, denn bei den Trollfaces handelt es sich um Inhalt, den die User selbst herstellen.Viele Jugendliche finden sich in diesen Trollfaces wieder. Die Handlungen in den Comics sind realitätsnah – und oft, wenn ein neues Comic erscheint, schreiben User darunter „isso“ oder „immer“, was soviel bedeuten soll wie: „Ja, ich finde mich darin wieder und es ist mir schon oft passiert“.
Oft geht es um Konflikte innerhalb der Familie, mit den Freunden oder dem Partner. Es kann aber auch sein, dass man sich gegen über den Anderen profilieren möchte und es eine Demonstration der Stärke ist.
In vielen Fällen werden diese Trollfaces mit richtigen Bildern kombiniert. Dadurch entsteht eine größere Wirkung auf den User und die Realität wird ihm noch ein weiteres Mal vorgehalten. Die Charaktere haben inzwischen auch teilweise Namen, wie beispielsweise das Mädchen “Derpina”. Immer mehr Facebook-User benennen sich selbst nach Trollfaces, ändern ihre Avatare oder posten die Bilder zur Unterhaltung anderer. Jeder kennt sie, jeder will sie und sie verbreiten sich rasend schnell.
Die Unsicherheit oder Hemmung, sich mit irgendwelchen Dingen zu outen schwindet, weil man schnell merkt, dass man mit seinen Gewohnheiten nicht allein ist. Diese Bilder sind zudem unglaublich lustig für die Jugendlichen, viele von ihnen geben zu, dass sie sie stundenlang ansehen könnten. Das ältere Publikum hingegen kann sich meist nicht für diese Bilder begeistern – denn oft sind die schwer verständlich oder werden erst auf den zweiten Blick erkannt.
Abschließend lässt sich sagen, dass sich auch mit den Trollfaces eine Jugendkultur in den sozialen Medien gebildet hat. Für Außenstehende scheint das vielleicht unverständlich; für die Jugendlichen sind die Bilder jedoch nicht mehr wegzudenken.
Pedobear is everywhere!
Seit einigen Jahren tritt ein kleiner süßer Bär im Internet auf und verzaubert die Jugendlichen mit „lustigen“ Bildern zum Thema Pädophilie. Der Plüschbär namens “Pedobear” (zu deutsch: “Pädo-Bär”) wird im Zusammenhang mit jungen Mädchen gezeigt und (un)passende Sprüche unterstützen diese Idee der Unterhaltung.
Schwarzer Humor ist Gang und Gäbe in der neuen Netzkultur, die die Jugend mittlerweile auslebt. Wichtige Themen – wie hier die Pädophilie – werden unterdrückt oder heruntergespielt und es wird nicht über die Auswirkungen nachgedacht. Der Mord an dem elfjährigen Mädchen aus Emden wird vielleicht einige in die Realität zurück holen, viele jedoch werden weiter an diesem Plüschbären festhalten. Dass der Bär nur ein Platzhalter für kranke Menschen ist, stört hierbei wenig. Im Vordergrund steht die Unterhaltung bzw. das tatenlose Zuschauen bei pädophilen Taten. Der Bär ist mittlerweile so bekannt, dass es nun sogar schon „Pädo-Pferde“ gibt …
Beispiel: “Pädo-Bär”
Beispiel: “Pädo-Pferd”
Der neue/alte Stil der Jugend
Oft frage ich mich, weshalb mancher erst dann mit Trends beginnt, wenn diese bei Jugendlichen längst wieder „out“ sind. Kommen diese Trends erst verspätet an?
Fakt ist, dass sich in letzter Zeit vieles verändert hat. Schon Schreibweisen unterscheiden sich zwischen den Generationen extrem. Während die Erwachsenen oft noch mit Groß- und Kleinschreibung und Zeichensetzung arbeiten, benutzen die Heranwachsenden nur Kleinbuchstaben – und auch die Smileys unterscheiden sich grundlegend. Heute werden Smileys ohne „Nase“ gepostet und der Zwinker-Smiley wird oft als „Fick-Dich-Smiley“ angesehen. Wer also seinem Kind Zwinker-Smileys sendet – vor allem im Streit oder nach Provokationen – sollte sich nun nicht mehr wundern, wenn das Kind fortan sehr „down“ ist.
Wörter wie „LOL“ (Laughing out loud) oder der Ausruf „lach“ sind unter Jugendlichen längst nicht mehr in. Wer heute etwas lustig findet, schreibt „hahaha “ oder etwas dergleichen. Man muss diesen Trends nicht nachgehen; trotzdem ist es erstaunlich, dass man die Generationen anhand der Schreibweise unterscheiden kann.”
Siard Schulz